Der interessante Fall 13: Nächtliches Schreien, Schlagen, Treten.

Der 68jährige, deutlich jünger wirkende Finanzbeamte im Ruhestand kommt zusammen mit seiner Ehefrau. Beide sind sehr beunruhigt. Die Ehefrau berichtet, ihr Mann habe sie vor einigen Tagen nachts so heftig ins Gesicht geschlagen, dass sie ein "blaues Auge" davongetragen habe, Spuren davon sind noch deutlich sichtbar. Ihr Mann schlafe schon seit langem unruhig, rede laut im Schlaf, werfe sich hin und her, so dass sie davon immer wieder erwacht sei. In letzter Zeit komme es aber zunehmend häufiger dazu, dass er im Schlaf laut schreie, mit den Fäusten schlage oder auch heftig mit den Füßen trete, getroffen habe er sie jedoch bisher noch nie. Sie habe ihn nach dem Ereignis geweckt, er selbst habe dann von einem Albtraum berichtet, in dem er sich gegen einen Angreifer habe wehren müssen.

Diagnose: REM-Schlaf Verhaltensstörung

Unser Schlaf teilt sich in verschiedene Schlafphasen auf. In der sogenannten REM-Schlafphase, die während der Nacht wiederholt auftritt, ist unser Gehirn sehr aktiv, es kommt zu Träumen, an die wir uns nur erinnern, wenn wir in dieser Phase erwachen.

In unseren Träumen geht es oft turbulent zu, normalerweise werden aber dabei im Gehirn entstehende Bewegungsimpulse während des Schlafs im Rückenmark blockiert, so dass es zu keinen oder allenfalls leichten, aktiven Bewegungen kommt.

Bei der sogenannten REM-Schlaf-Verhaltensstörung ist diese Blockierung aufgehoben. Die Patienten (meistens Männer über 50) agieren ihre Träume also auch mit häufig heftigen Bewegungen aus. Sie berichten zudem von oft auftretenden, sehr aktionsgeladenen Träumen mit Angriffs- und Verfolgungssituationen, wogegen sie sich dann im Traum mit allen Mitteln zur Wehr setzen. Der Leidtragende ist nicht selten der Patient selbst, es kann zu Verletzungen bei Schlägen und Tritten gegen die Wand oder den Bettrahmen kommen. Die Bettpartnerin kann ebenfalls - wie in unserem Fall - getroffen werden, alleine das laute Rufen und Schreien nachts ist aber bereits eine erhebliche Belastung, so dass rasch das gemeinsame Bett verlassen wird.

Die Störung kann im Zusammenhang mit der Einnahme von Medikamenten auftreten und muss gegen bestimmte Formen der Epilepsie abgegrenzt werden. Meist ist deshalb eine Untersuchung in einem Schlaflabor erforderlich. Der Patient schläft dort in der Regel 2 Nächte, während seine Hirnströme überwacht und nächtliche Bewegungen mittels einer Infrarotkamera aufgezeichnet werden.

In den meisten Fällen findet sich keine fassbare Ursache, die ganz niedrige Dosis eines abends eingenommenen Medikaments reicht dann meistens aus, um die Störung wirksam zu behandeln.

2 Gedanken zu “Der interessante Fall 13: Nächtliches Schreien, Schlagen, Treten.

    1. Beitragsautor

      Sie geben an, ähnliche Symptome bei sich zu bemerken, wie Sie in unserem Fall 13 geschildert werden.
      Die Gabe von Medikamenten setzt eine eindeutige Diagnosenstellung voraus, da unterschiedliche Erkrankungen ganz ähnliche Symptome machen können, aber mit ganz verschiedenen Medikamenten behandelt werden müssen. Die Diagnose kann nur in einem neurologischen Schlaflabor gesichert werden, Ihr Hausarzt hat die entsprechenden Möglichkeiten nicht. Sie müssen sich daher bei einem Neurologen vorstellen, der dann eine entsprechende Untersuchung veranlassen wird.
      Viele Grüße
      Dr. Richard Ippisch

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