Aktuelles Wissen: Ischias

Im Laufe des Lebens entwickeln sich bei jedem Menschen degenerative Veränderungen der Wirbelsäule. Wohl nur sehr wenige bleiben ihr Leben lang von den entsprechenden Beschwerden verschont.

Am Beginn stehen meist Schmerzen im "Kreuz" vor allem nach längerem Sitzen z.B. einer Autofahrt. Mit zunehmender Häufigkeit und Ausprägung kann auch eine Schmerz-Ausstrahlung in das Gesäß und gelegentlich entlang des gesamten Beines auftreten, die dann häufig als "Ischias" bezeichnet wird.
Mit dem eigentlichen Ischias-Nerven haben diese Beschwerden aber wenig zu tun.
Die Schmerzen entstehen vielmehr im Bereich der Wirbelsäule, wo zwischen jedem Wirbelpaar auf beiden Seiten eine Nervenwurzel den Rückenmarkskanal verlässt. Mehrere dieser Wurzeln schließen sich nach Verlassen der Lenden-Wirbelsäule zu einzelnen Nerven zusammen, die dann zum Bein oder in die Beckenregion ziehen.

Jede Nervenwurzel muss durch eine Zwischenwirbelöffnung die Wirbelsäule verlassen. Durch die degenerativen Veränderungen mit An- und Umbau von Knochengewebe werden diese Öffnungen oft deutlich verengt. Auch die zwischen den Wirbeln liegenden, elastischen Bandscheiben können Schaden nehmen und sich in Richtung der Nerven-Austrittsöffnung vorwölben (s. Bild).

Eine längere Fehlhaltung der Wirbelsäule z.B. beim Sitzen mit gekrümmtem Rücken oder eine Fehlbelastung z.B. bei Anheben einer ungewohnt schweren Last kann dann zu einer kurzfristigen Einklemmung der Nervenwurzel führen. Das sehr empfindliche Nervengewebe reagiert auf diesen Reiz mit einer vermehrten Durchblutung und Schwellung, was die Platzverhältnisse in der knöchernen Durchtrittsöffnung nochmals verschlechtert. Auch weiß man heute, dass alleine der Kontakt von Bandscheibengewebe mit der Nervenwurzel eine lokale Reizentzündung auslösen kann.
Bereits geringe Bewegungen können jetzt zu einer weiteren Wurzelreizung führen, es kommt zu den bekannten, bei jeder Bewegung sich heftig verstärkenden Schmerzen.

Wird der Druck auf die Wurzel größer und hält länger an, kommt es zu Nervenfaserschädigungen, die sich durch kribbelnde Missempfindungen, ein Taubheitsgefühl oder sogar eine Schwäche der Beinmuskulatur äußern. Im schlimmsten Fall droht der sogenannte "Wurzeltod": die Nervenwurzel wird durch zu große Druckeinwirkung unwiederbringlich geschädigt, Taubheitsgefühl und Lähmungen bilden sich dann auch nach Entlastung nicht mehr zurück.

Missempfindungen, Taubheitsgefühl oder Schwäche erfordern eine neurologische Untersuchung !

Wenn auch der Orthopäde meist die Behandlung der Wirbelsäulen-Erkrankungen übernimmt, ist der Neurologe spätestens dann am Zug, wenn es zum Auftreten von ausstrahlenden Missempfindungen, einem Taubheitsgefühl oder sogar einer Muskelschwäche am Bein kommt.

Nur mit einer genauen neurologischen Untersuchung und einer Messung der Nervenimpulse in der Muskulatur (Elektromyografie) lässt sich das Ausmaß der eingetretenen Nervenfaserschädigung ermitteln. Davon wiederum hängt ab, welche Art der Behandlung und vor allem, ob eine Operation erforderlich ist, um dauerhafte Schäden zu vermeiden.

Die zunehmend häufiger durchgeführten Wirbelsäulen-Operationen sehen wir sehr kritisch !
Nur in ganz bestimmten Fällen ist eine Operation wirklich dauerhaft hilfreich. Wir raten Ihnen daher, sich vorher in jedem Fall auch von einem Neurologen untersuchen und beraten zu lassen.

Hauptziel der medizinischen Behandlung ist es dagegen, schon frühzeitig diese sonst zwangsläufige Abfolge von Fehlbelastung, Schädigung und krankhaftem Umbau der Wirbelsäule, schließlich Reizung und Schädigung der Nervenwurzeln zu unterbrechen.

Zwar lässt sich der anfängliche Reizzustand mit vielen Behandlungsmethoden immer wieder lindern. Medikamente in Tabletten- oder Spritzenform, Bäder, Fangopackungen, Rüttelbett bis hin zu Akupunktur und ähnliches werden hierzu angewendet. Keine dieser Behandlungen kann jedoch einen langfristigen Therapieerfolg garantieren, was sich anhand der Entstehungsmechanismen leicht verstehen lässt.
Werden keine weiteren Konsequenzen gezogen, schreitet die Entwicklung weiter fort, die Beschwerden werden häufiger, länger anhaltend und nehmen im Schweregrad zu.

Nur eine regelmäßige Wirbelsäulengymnastik verspricht dauerhafte Besserung

Langfristig wirksam ist ausschließlich eine Behandlungsform, für die der Patient selbst die Verantwortung übernehmen muss.
Mittels gezieltem Training der Rückenmuskulatur lässt sich eine Haltungskorrektur, gleichmäßige Belastung und Stabilisierung der Wirbelsäule erreichen und damit eine fehlstellungsbedingte, falsche Belastung der lasttragenden Elemente vermeiden.

Nur eine konsequente und mehrfach wöchentlich durchgeführte Wirbelsäulengymnastik führt daher zum dauerhaften Erfolg. Die Übungen lassen sich am besten im Rahmen eines Kurses erlernen und auch immer wieder auffrischen. Wirbelsäulen-Gymnastik-Kurse werden meist kombiniert mit einer "Rückenschule" angeboten, man lernt, auf korrekte Haltung zu achten und durch einfache Verhaltensänderung eine deutliche Entlastung der Wirbelsäule im Alltag zu erreichen.
Wichtig ist die konsequente und dauerhafte Durchführung der Übungen auch und gerade in Zeiten ohne Beschwerden.

Nur wer Bescheid weiß und die nötige Disziplin aufbringt, wird auch auf Dauer beschwerdefrei bleiben.

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