Aktuelles Wissen: Epilepsie

Hand auf's Herz - was würden Sie über Ihren Arbeitskollegen denken, wenn Sie erfahren würden, dass er an einer Epilepsie leidet - "Epileptiker" ist ? Würden Sie ihn mit anderen Augen sehen, sein Verhalten heimlich beobachten, lieber nicht mit ihm zusammen arbeiten wollen aus Angst vor einem möglichen Anfall oder weil er Ihnen ja schon immer ein bisschen "komisch" vorkam ?

Keine Angst, dazu wird es nicht kommen, denn er wird Ihnen nicht von seiner Epilepsie erzählen. Er weiß, dass so manche(r) seiner Kolleg(inn)en genau so - wie oben beschrieben - denken würde.

Epilepsie ist häufiger als Sie denken

Dabei ist Epilepsie nicht selten, etwa 1% der Menschen leiden daran, das heisst, Sie kennen vermutlich mindestens 2 oder 3 Leute, die eine Epilepsie haben. Diese ist aber in der Regel so gut behandelt, dass unter Einnahme der Medikamente kein Anfall mehr auftritt. Sie werden also nichts merken, denn Menschen mit Epilepsie sind sonst in keiner Weise auffällig und ebenso leistungsfähig wie Sie und ich.

Auch Sie können einen epileptischen Anfall bekommen

Und noch etwas sollten Sie wissen: auch Sie können einen epileptischen Anfall bekommen.
Grundsätzlich kann in jedem Gehirn ein epileptischer Anfall ausgelöst werden, wenn nur genügend auslösende Faktoren zusammen kommen: z.B. erhöhte Temperatur, Schlafentzug, Alkoholeinfluss, bestimmte Medikamente usw.
Einen Anfall zu haben bedeutet deshalb also nicht unbedingt, dass man an einer Epilepsie leidet. Der Unterschied zwischen Ihnen und dem Kollegen mit Epilepsie besteht lediglich darin, dass die Schwelle, ab der es zum Auftreten eines Anfalls kommt, bei Ihnen höher liegt als bei ihm.

Diese Schwelle kann erniedrigt sein, weil eine erbliche Form der Epilepsie vorliegt. Ursache kann aber auch eine Narbe im Gehirn sein, wie sie z.B. nach einer Kopfverletzung, nach einem Schlaganfall, einer Hirnblutung oder auch bei einem Sauerstoffmangel während der Geburt auftreten kann.

Wie sieht ein epileptischer Anfall aus ?

Ein "großer" epileptischer Anfall kann für jemanden, der dies zum ersten Mal erlebt, ein erschreckendes Erlebnis sein. Der Patient liegt am Boden, gibt möglicherweise einen lauten, lang anhaltenden Schrei von sich, verzerrt das Gesicht, verdreht die geöffneten Augen, verkrampft Arme und Beine und beginnt rhythmisch zu zucken, atmet zuerst stoßweise, dann möglicherweise nicht mehr, wird blau im Gesicht. Der dabei auftretende Sauerstoffmangel des Gehirns beendet jedoch dann den Anfall, bevor das Gehirn Schaden nimmt. Der Patient wird ruhig, entspannt sich, der Anfall geht in einen tiefen Schlaf über. Der Patient erwacht möglicherweise erst nach längerer Zeit und weiß nichts von dem, was geschehen ist.
Wer einmal einen Anfall erlebt hat, kann verstehen, warum früher Menschen mit Anfällen aus Unwissenheit als "vom Teufel besessen" angesehen wurden.

Was soll man tun bei einem großen, epileptischen Anfall ?

Fast nichts. Legen Sie dem Patienten ein Polster (Kissen, Jacke o.ä.) unter den Kopf, räumen Sie Gegenstände aus dem Weg, an denen er sich verletzen könnte. Sehen Sie auf die Uhr und messen Sie die Zeit ! Wenn der Anfall (gemessen, nicht gefühlt !) länger als 5 Minuten andauert  - was nur sehr selten vorkommt, rufen Sie den Notarzt. Sonst warten Sie nur ab, der Anfall wird ganz von selbst abklingen und es sind keine besonderen Maßnahmen erforderlich. Hüten Sie sich vor allem davor, dem Patienten zum Schutz vor Bissverletzungen etwas zwischen die Zähne zu schieben, so mancher hat in guter Absicht dabei bereits einen Finger verloren, da die Patienten unvermittelt und mit großer Kraft zubeissen können.

Gibt es auch andere als große Anfälle ?

Ja, sogenannte "kleine" Anfälle können ganz unterschiedlich aussehen und sind als solche selbst für den Fachmann manchmal nicht einfach zu erkennen. Sogenannte Absencen fallen als ganz kurzes Innehalten oder eine sekundenlange, geistige Abwesenheit trotz der dabei auftretenden Bewusstseinsstörung möglicherweise gar nicht auf. Auch ein oft morgens auftretendes, heftiges Zucken, so dass dem Betreffenden möglicherweise Dinge aus der Hand fallen, kann Ausdruck einer speziellen Form der Epilepsie sein.
Andere Patienten sind während des Anfalls zwar nicht mehr vollständig bei Bewusstsein bzw. ansprechbar aber noch in der Lage, automatisierte Verhaltensweisen fortzuführen. Dies kann nur ein wiederholtes, gleichartiges Nesteln, Schmatzen oder Grimassieren sein. Andere Patienten können während des Anfalls umhergehen oder sogar mit der U-Bahn fahren, ein- und aussteigen, so dass sie sich nach dem Erwachen plötzlich an einem anderen Ort wieder finden, ohne zu wissen, wie sie dort hin gekommen sind.

Generell gilt daher, dass jemand, bei dem auffällige Verhaltensweisen auftreten, an die er/sie sich hinterher nicht mehr erinnern kann, sich zur Untersuchung bei einem Neurologen vorstellen sollte.

2 Gedanken zu “Aktuelles Wissen: Epilepsie

  1. Gerti A.

    Hallo!
    Kann es nach einem 24-stündigen Schlafentzug - welcher aufgrund einer Untersuchung ob Epilepsie vorliegt - zu einer Hirnblutung kommen?
    Danke für Ihre Rückantwort.
    Mit freundlichen Grüßen
    Gerti A.

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